Chto Delat

It Hasn't Happened To Us Yet. Safe Haven

Chto Delat ist ein Künstler*innen-Kollektiv, gegründet 2003 in St. Petersburg, RUS, und besteht aus Tsaplya Olga Egorova, Artiom Magun, Nikolay Oleynikov, Natalia Pershina / Glucklya, Alexey Penzin, Alexander Skidan, Oxana Timofeeva, Dmitry Vilensky und Nina Gasteva

Endlich angekommen. Nach mehreren Stunden auf offener See ist das Licht des Leuchtturms jetzt so nah wie nie zuvor. Hier sind wir sicher. Im ›Safe Haven‹. Ein Ort der Ruhe, der Toleranz, der Akzeptanz. Hier herrschen die Gesetze der Freiheit, Gemeinsamkeit und Hilfsbereitschaft. Nur noch einige hundert Meter den steinigen Weg der Insel entlang, und wir haben den Leuchtturm erreicht.
It Hasn’t Happened To Us, Yet. Safe Haven ist ein Film von Chto Delat, einem Kollektiv von Künstler*innen, Philosoph*innen und Schriftsteller*innen aus Russland. Der Film beschreibt die fiktive Geschichte einer Gruppe geflüchteter Künstler*innen in einem ›Safe Haven‹. Dies sind real existierende Zufluchtsorte für Künstler*innen, die politisch verfolgt werden oder aus anderen Gründen ihr Heimatland verlassen müssen. Der Film veranschaulicht in zwölf Sequenzen durch performative ebenso wie im dokumentarischen Stil gefilmte Szenen, wie ein Leben dort aussehen könnte. Das Werk wird als Projektion aus zwei Bildkanälen präsentiert, so dass ein fortwährender Dialog zwischen zwei Bildern oder Bild und Textteil entsteht. Als einzige musikalische Untermalung ist der Gesang der Inselhymne zu hören. Es entsteht eine Stimmung, die je nach Situation und Kommentar als sowohl angenehm als auch beklemmend empfunden werden kann.
In weitläufigen Landschaftsbildern der kleinen norwegischen Insel kreiert der Film eine fast schon meditative Monotonie, die in einem starken Gegensatz zu dem von Unterdrückung und Verfolgung dominierten Leben der Geflüchteten steht. Und doch drückt sich auch in der Willkommenskultur der Einheimischen eine latente Gewalt aus: Das Erlernen einer Hymne gibt den Geflüchteten zwar eine Aufgabe, verlangt jedoch auch ihre Anpassung an die auf der Insel vorherrschende Kultur. Erwartungshaltungen an die Geflüchteten werden formuliert. Bei einigen Künstler*innen stellt sich ein Gefühl der Fremdheit und Einsamkeit ein, das sich mitunter auch darin begründet, dass sie nicht mehr die gleiche innere Notwendigkeit empfinden, sich künstlerisch zu äußern, wie vor ihrer Flucht. Die Ambivalenz in der Situation der Künstler*innen tritt immer deutlicher zutage: Sicherheit wird mit einem Gefühl der kulturellen Unsicherheit und Fremdheit bezahlt.

Mara Heineke

Artist Statement
“Safe Haven” is the name of a network of residences for cultural workers who live in countries where their life, freedom and human dignity are in danger. In the Safe Haven’s residences, they can decide their further fate – whether to request political asylum or return to their native land. Most of these residences are located in small, pleasant towns in Northern Europe.
What will happen if we do have need of a “Safe Haven”? What will happen if at some point we find ourselves hiding from danger in a residence on one of the small Norwegian islands?
In our film we created an imaginary situation in which five people arrive at one such residence. Each of them would be prepared to get involved in local life and become a full-fledged member of the local community, sharing their experience of persecution and flight; they are therefore keen to listen to local residents, who in turn are happy to share their views on life as well as stories about the place, and to tell about the particular rules of local living.
But something does not allow these imaginary refuges to find a peace for themselves.

Chto Delat