Laura Huertas Millán

The Labyrinth

* 1983, Bogotá, COL, lebt und arbeitet in Paris, FRA
studierte an der Beaux-Arts de Paris, FRA, Le Fresnoy, Tourcoing, FRA, und der Harvard University, USA

The Labyrinth lässt Erinnerungen eines indigenen Arbeiters, der in den 1980er Jahren im kolumbianischen Drogengeschäft tätig war, aufleben und verwebt diese mit Serienschnipseln der US-amerikanischen Kultserie Dynasty (dt.: Der Denver Clan). Er wird immer mehr zum Protagonisten in einer verstrickten Geschichte. Die dabei entstehende Kluft aus Realität und Fiktion hinterlässt ein mulmiges Gefühl.
Wie groß das Bestreben nach dem US-amerikanischen Lebensstil war, verdeutlicht die Geschichte des Drogenbarons Evaristo Porras, welche dem Film als Folie hinterlegt ist und in Teilen nacherzählt wird. Er ließ sich die Villa aus der Serie Dynasty nachbauen. Doch vom damaligen Prunk ist nichts mehr übrig: In Huerta Milláns Film sehen wir zerfallene Architektur, besprühte Mauern und angesammelten Müll in den früher so glamourösen Gemäuern. Der schnell erreichte Wohlstand ist verflogen, das Traumhaus zerfallen, der Patron in Armut gestorben – auf der Tonebene erklingen Dialoge aus der Serie.
Um dieses Paradox zu unterstreichen, werden die Aufnahmen nicht nur bewusst mit der Tonspur, sondern auch mit Bildmaterial aus der Serie kontrastiert. Sowohl die Serienschnipsel als auch das Found Footage aus dem Dschungel sind im selben Bildformat gehalten. So ergibt sich ein einheitlicher Rahmen, der fortwährend Widersprüche aufbaut, die dennoch passend erscheinen. Ihre Bilder wirken unkompliziert, suchend, fast orientierungslos und vermitteln etwas Unmittelbares. Im Verlauf ändert sich die Narration. Wir sehen den Mond, und der Arbeiter berichtet von seiner Nahtoderfahrung. Hier stößt Huertas Millán an die Grenzen des Darstellbaren. Die vermutlich durch den ständigen Kontakt mit Drogen ausgelöste Halluzination ist nur von einer Person erfahrbar. Im Folgenden erscheint wieder die Villa: Sie steht für das Desaster der Drogendynastie gepaart mit dem Wunsch, die indigene Kultur einerseits zu verleugnen und andererseits die eigene Sicht- und Lebensweise anderen aufzuzwingen. Das Ursprüngliche jedoch bleibt trotz Rückschlägen bestehen, versteht zu überleben und schlussendlich wieder aufzublühen. Die lebhaft wirkenden Flammen und die Sounds in der Schlussszene wirken wie ein Mahnmal. Wie ein Labyrinth scheint sich die Geschichte aufzubauen und zu verzweigen – vergleichbar mit der Geschichte der indigenen Kultur in Kolumbien, die durch den Drogenhandel, aber auch die westlichen Einflüsse, ihre Identität ein Stück weit verloren hat und sie nun wiederentdecken will.

Anneliese Jankowicz

Artist Statement
Entwining ethnography, ecology, fiction and historical enquiries, my moving-image practice engages with strategies of resistance and resilience against political and social violence. My works are infused by the real, so each project builds a space of complexity and experimentation, where fixed identities are questioned and altered, and the dominant narratives contested. The themes inhabiting my practice are all related to the representation of alterity. Working in series and throughout long times of research, I have developed works on exoticism (2009-2012), on ethnographic fictions (2012-2018), and now around the notion of pharmakon (the poison and the healer). The labyrinth (2018) is at the crossroads of these two last enquiries. The syncretic form of the film (mixing 16mm, found footage, HD and shot in several different years) echoes the refracted ways in which History is written, in between testimonies, mass media and heterogeneous traces. Narcocapitalism here rises from colonial and imperialist vestiges; the film evokes this situation and soon flips in its testimonial structure to give the narrator the space to tell an intimate near-death experience. The uncanniness of this last story transport the film elsewhere, it becomes an altered state, a dream of survival.

Laura Huertas Millán