Su Hui-Yu

屁眼.淫書.速克達 (The Walker)

  • 1976 in Taipei, TPE, lebt und arbeitet in Taipei, TPE
    studierte an der Taipei National University of the Arts, TPE, und der National Taiwan Normal University, TPE

Vergangenes aufarbeiten, mit Aktualität spicken und provokant aufbereiten gehört zu den Stärken Hui-Yus. Inspiration sind die schnellen Bilder der Massenmedien und die Geschichte seines Heimatlandes. So entstehen Arbeiten, die eine neue Körperlichkeit in den Vordergrund rücken, mit Geschwindigkeiten spielen und eine Diskrepanz zwischen Bild und Ton hervorrufen. Hui-Yu verarbeitet in The Walker die drei Stücke Mary Scooter (1993), Asshole Man (1996) und Our Top Horny Novels (2000) des gleichnamigen taiwanesischen Untergrundtheaters in eine sechskanalige Videoinstallation mit einer Projektion und fünf Blockmonitoren. Weil ihn der improvisierte Charakter der Inszenierungen faszinierte, ließ er Amateurschauspieler*innen in die Rollen schlüpfen. Sie stecken in bunten Kostümen, sind grell geschminkt und führen kleine wiederholende Bewegungen aus oder sitzen anstößig drapiert in einem unscheinbaren Raum. Dieser wird jedoch durch sanfte Kamerafahrten und das Übereinanderlegen und Beschleunigen von Bildern überhöht. Aus dem Off erklingen die noch heute provozierenden Texte. Die dadurch traumähnlich wirkenden Sequenzen erheben sich, werden aber auch unmittelbar wieder gebrochen.
Das Theater vereint die dramaturgische mit der darstellenden Kunst. Es erfüllt innerhalb einer Gesellschaft von jeher die Funktionen einer kulturellen, ästhetischen und gesellschaftskritischen Identität. Das gleichzeitige Streben nach Vollkommenheit und die Reaktion auf zufällige Ereignisse schenken den Besucher*innen einen einzigartigen Live-Moment. Um sich weder von Politik vereinnahmen zu lassen, noch den neuen Medien zu unterliegen, muss das Theater stetig auf aktuelle Themen eingehen und sie hinterfragen.
Su Hui-Yu verarbeitet in The Walker in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium die Theaterkultur Taiwans. Geboren 1976 in Taipei, wuchs er in einem zerrissenen Land auf. Taiwan steht in langem Konflikt mit der Republik China, da der Inselstaat nach dem Zweiten Weltkrieg an China fiel und sich die Gegner des aufstrebenden Kommunismus auf die Insel zurückzogen. Noch heute führt die Ein-Staat-Politik Chinas zu diplomatischen Unstimmigkeiten. Aufgrund einer Gesetzesänderung 1987 entstand die Theaterbewegung Little Theater in Taiwan. In den folgenden Jahren blühte die Theaterlandschaft auf und sorgte mit experimentellem Stil und klarer Haltung gegen China für Aufsehen. In diese Tradition lässt sich auch The Walker einordnen – zwar in neuem Gewand, aber mit gleichem Körper.

Anneliese Jankowicz

Artist Statement
As one of the most active “little theatre”(小劇場) groups during 1990s, Taiwan Walker Theatre had been engrossing for its vernacular spirit-based theatrical aesthetics since its founding in 1992, and it was 5 years after declaring of martial law. I had watched the theatre’s performances on an irregular basis since my collage days when I was around 18-20. The theatre’s DIY ethos beyond institutionalisation and marketization as well as its ability in interfering in the highbrow art with popular cultures have substantially influenced my artistic practices. In The Walker, I decided to deconstruct three of the theatre’s plays, namely Mary Scooter (1993), Asshole Man (1996), and Our Top Horny Novels (2000). I extracted the character designs from these plays, emulated the theatre’s theatrical method, and asked amateur actors to improvise on site. Based on a multi-character narrative structure, this work re-interprets the velocity, prime-time, rebellion, physical pleasure and ethical minefield referred to in these three plays, recalling the artistic utopia ever pictured by the theatre group; to wit, a polysemous, hybridised art world whose components range from the sublime to the ridiculous. In some way, it is alternatively and historically refracted realities to me which might bring audience to a mixed and folded time-space.

Su Hui-Yu