Tobias Zielony

Maskirovka

* 1973 in Wuppertal, GER, lebt und arbeitet in Berlin, GER
studierte an der University of Wales in Newport, GBR und der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, GER

Unruhen auf dem Maidan-Platz. Zigarette an einer Feuertonne. Fahrende Panzer. Ein sich schminkender Mann. Soldaten im Schnee. Ein Mann mit VR-Brille. Menschen mit Masken auf einer Technoparty. Tonlos blitzen diese Bilder stroboskopartig hintereinander auf einer Leinwand auf. Tonlos, aber doch mit einem klaren Rhythmus, der durch fünf aufblitzende Bilder pro Sekunde gegeben wird. Tobias Zielony zeigt in seinem Film Maskirovka Fotografien, die während seines etwa achtmonatigen Aufenthalts in Kiew entstanden sind. In der Hauptstadt der Ukraine porträtierte er die Techno- und LGBT-Szene der Jahre 2016/17. Diese Porträts vermischt er in seinem Film mit Bildern des Krieges in der Ukraine, Bildern von Protesten auf dem Maidan im Februar 2014, Bildern eines Kriegsflugzeugs über Kiew, Bildern marschierender Militäreinheiten. Sie rufen bei uns als Betrachtenden die Erinnerung an Straßenproteste auf dem Maidan in Kiew und an die Annektierung der Krim durch Russland hervor. Zielony erinnert daran, dass auch heute noch Krieg in der Ukraine herrscht. Die Bezeichnung Maskirovka (russ. »Maskerade«) wird von ihm in seiner Bedeutung als Kriegstaktik der Verschleierung, der Täuschung, der Desinformation verwendet. Eine Kriegstaktik, für die das russische Militär während der Annektierung der Krim bekannt wurde. Das Thema der Maskerade zieht sich durch den Film. Es dient in den verschiedenen Kontexten unterschiedlichen Zwecken. Protestierende auf dem Maidan schützten sich beispielsweise durch Masken vor Tränengas. In der Techno- und LGBT-Szene wird die Maskerade zur Darstellung verschiedener Identitäten verwendet und zu einer Möglichkeit, sich diese anzueignen. Zeigt Zielony in seiner Arbeit möglicherweise eine Flucht aus der Kriegs-Realität in andere Realitäten, ausgelebt durch Maskeraden im nächtlichen Kiew? Dies wäre eine naheliegende Deutung seiner Arbeit. Doch sagt er selbst: »Für mich ist es die andere Welt, die sich als Travestie oder Fake-Realität zeigt«.

Sarah Hellings