Zanny Begg & Oliver Ressler

Anubumin

Zanny Begg:
* 1972 in Melbourne, AUS, lebt und arbeitet in Sydney, AUS
studierte an der Griffith University, AUS, und der University of New South Wales, AUS

Oliver Ressler:
* 1970 in Knittelfeld, AUT, lebt and arbeitet in Vienna, AUT
studierte an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien, AUT

Anubumin bedeutet auf Nauruisch »Nacht« – und mit Finsternis beginnt der vierte gemeinsame Film von Zanny Begg und Oliver Ressler. Klein und unscheinbar liegt die Insel Nauru mit knapp 10.000 Einwohner*innen weit entfernt vom Festland im Pazifik. Doch Nauru ist ein geschichtsträchtiger und tragischer Ort, welcher mit zahlreichen Narrativen überschrieben wurde. Diese Narrative unterschiedlicher Natur werden im Film thematisiert, beginnend mit der frühen Ausbeutung der Insel und ihrer Calcit- und Phosphatvorkommen durch die Kolonialmächte im 19. Jahrhundert. Nach den goldenen 1970er-Jahren, in denen »Birdshit Island« in Geld schwamm, war das Phosphat vollständig abgebaut und der Inselstaat bald insolvent. Seitdem ist Nauru ein trüber Ort geworden: 80% der Fläche ist unbewohnbar; der Versuch, Einnahmequellen zu erschließen, führte zu einer breit angelegten Praktizierung von Geldwäsche. Und noch immer wird Nauru fremdbestimmt, denn die Insel beherbergt ein australisches ›offshore‹-Internierungslager für Geflüchtete – für diejenigen Menschen, die nach australischem Recht illegal nach Australien kommen und damit die Erlaubnis auf Migration verwirkt haben. Über den unmenschlichen Zustand des Camps, welches von einer privaten australischen Organisation geführt wird, sprechen im Film vier Whistleblower, die als Ärzt*innen oder Krankenpfleger*innen im Internierungslager beschäftigt waren.
Eine ästhetische Klammer bildet ein vorgetragenes Gedicht von Matthew Hyland und Oliver Ressler, welches die Düsternis, die diese Insel umgibt, in Worte fasst und die korrupten Geschäfte der australischen Regierung offenlegt. Das Gedicht wird unterlegt mit – dem Filmverbot im Internierungslager geschuldet – heimlich gefilmten Bildern der Gegend, die in hartem Kontrast zu poetischen Naturaufnahmen stehen, die die Künstler*innen zwischen die dokumentarischen Aufnahmen blenden. In Verbindung mit dem gesprochenen Wort werden diese schemenhaften, collagierten Bilder mit einer starken Bedeutung aufgeladen: Das Verborgene, verursacht durch die korrupte Geheimhaltung, offenbart sich in der Art des Nicht-Zeigens und spitzt sich in seiner Tragik anhand der atmosphärischen Aufnahmen der Landschaft zu. Wie erzählen uns Bilder von konflikthaften Zuständen? Wem schenken wir unseren Glauben – den Worten, den Bildern, welchen Bildern? Und welche Wirkung entfalten diese Worte und Bilder als Teil einer künstlerischen Arbeit?

Miriam Klauke

Artist Statement
Nauru:
Einzelnes Riff auf Vulkanüberresten
ein Ring aus Kalzit und Phosphat, so groß wie Lower Manhattan.
Abgebaut wurde unter deutscher, britischer Dominions-,
japanischer und (wieder) australischer Überwachung,
seit 1968 nanosouveräner Staat.
In den ‘80ern dann ist es gänzlich verwüstet:
nichts wächst auf einem zerhackten Knochenberg aus Kalzit,
wo der Boden selbst verschifft wurde,
zersiebt, verpackt und verladen nach Australien
zur Düngung australischer postkolonialer Farmen.

Nauru,
Star der südpazifischen Landraub-Annalen:
denn wo sonst wurde das ganze Land exportiert?
Ein geologisch einmaliges Geschäft:
Nauru zum zweitreichsten Staat der Welt ernannt
pro abstraktem Kopf. Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser
ein paar Jahre lang gratis.
Die Gewinne aus dem Landexport umgeschaufelt auf
australisches Land: Investitionspläne
in Plaza-Abkommen-Innenstadtimmobilienblasen,
Anteile an der fruchtbaren letzten Ruhestatt dieses Bodens.
Dann ist die Vogelscheiße alle, die Immobilienpyramide fällt
aber die mit Scheiße gesicherten Wertpapiere bleiben.
Naurus Sicherheit ist nichts als Schaden: ein
Loch anstatt des verschifften Bodens

Matthew Hyland & Oliver Ressler