Sohrab Hura

The Lost Head & The Bird: ACT 1 to 12

*1981 in Chinsurah, Westbengalen, IND, lebt und arbeitet in Neu-Delhi, IND
studierte an der Delhi School of Economics, Delhi, IND

Sohrab Huras Mehrkanal-Arbeit The Lost Head & The Bird: ACT 1 to 12 besticht durch seine fulminante Bilderflut. Fast eruptiv wirken Huras Fotografien in immer kürzer werdenden Abständen, ähnlich einer Slideshow, auf das Auge ein. Die Fotografie eines verrenkten menschlichen Aktes wird zu Beginn des Videos mit einer vom Künstler verfassten und selbst eingelesenen Kurzgeschichte über das kopflose Mädchen Madhu unterlegt. Mit dem Ende des Märchens ändert sich der Modus der Bildeinheiten, begleitet durch die unter die Haut gehenden Gitarrenriffs von Hannes d’Hoine und Sjoerd Bruil. Kommentarlos, abstrakt und obskur reihen sich nun pulsierende Fotografien aus dem Alltag des indischen Küstenstreifens neben Ausschnitte aus popkulturellen Videos immer schneller werdend hintereinander. Die rasante Abfolge und wechselnden Paarungen der Bildeinheiten verleihen den statischen Fotografien eine bestechende Dynamik. Das Moment des Gewaltvollen intensiviert sich durch eine sich beschleunigende Abfolge der Bilder sowie die unterlegte Musik. Die Bilder kulminieren in einer Klimax der Gewalt, durch Fotografien von Blut, Armut und Aufstand. Sie lassen uns in einem Zustand der emotionalen Aufgewühltheit, fast greifbarer Überstrapazierung des visuell Erfassbaren, zurück. Huras Bildgewalt hinterfragt die sozio-politischen Entwicklungen der letzten Jahre in Indien und deren Einfluss auf die Stimmungen innerhalb der Gesellschaft: »Everything had started to feel unreal and absurd because of the extremities of polarization and violence and also the silent habituation of it – it had started to affect the way I photographed.« Huras Arbeit extrahiert die Essenz einer sexuellen, religiösen und politischen Gewalt Indiens, die fast physisch spürbar wird. Die Betrachtenden werden zu Voyeur*innen und können sich der radikalen Realität nicht weiter entziehen. Das Voyeuristische fungiert als Bindeglied zwischen fiktiver Geschichte und Bild. Der fiktive Fotograf, der die wunderbaren und grausamen Begebenheiten des indischen Küstenstreifens zu dokumentieren sucht, kann hier als Metapher des gesamtgesellschaftlichen Voyeurismus gelesen werden.
Für Hura ist es die Grenze zwischen Voyeurismus und aktiver Teilnahme an jenen gewaltvollen Handlungen, die stetig verschwimmt. Der Mensch konstruiert seine Folgerungen über die Welt durch momenthafte Bilder und Informationen. Durch die Präsentation von zwölf Videosequenzen, die sich nur in Feinheiten unterscheiden und so den Kontext verschieben, negiert Hura dieses System und eröffnet neue Wege der Beurteilung.

Anna Holms

Artist Statement
A disorientating and absurd world, where the boundaries between fact and fiction blur, and the undercurrents of hysteria, rage, euphoria and violence lurk beneath the surface, erupting in ever more frequent outbursts. The Lost Head & The Bird explores a frighteningly fast-changing, post-truth world where actions are fuelled by appeals to emotions and facts are increasingly ignored. The twelve subsequent variations of the film turn into a puzzle constantly changing itself, pulling in different directions psychologically, emotionally and intellectually, never remaining constant. I think of the work as a balloon into which I keep blowing air. What one sees is just the skin of the balloon that keeps stretching. But at some point if I don’t stop blowing air into it, that balloon will burst. What I want to do with the work is to take you to that point right before, from where you might start to anticipate the bursting of the balloon.

Sohrab Hura